Predigt zu Lukas 10,38-42 Maria und Marta am 3.3.2019

Predigt zu Maria und Martha, Lk 10,38-42

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Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen.

Liebe Gemeinde!

Sie sitzen gemütlich bei einem Gläschen Sekt bei einer Freundin auf dem Geburtstag und lassen es sich gut gehen und als Sie wieder gehen stellen sie fest, dass sie keine drei Worte mit ihr gewechselt haben… und dann fällt ihnen auf, dass immer mal ein „Jetzt setz dich doch mal hin… die Sachen aus der Küche können wir doch selber holen…“ durch den Raum gegeistert ist…

Oder sie sitzen in gemütlicher Runde und plötzlich kommt eine Frage auf, die nur Google beantworten kann und auf einmal schaut einer aus der Runde nur noch auf sein Smartphone….

Oder draußen ist das tollste Wetter und ein Freund ruft an und lädt sie zu einem Sonnenspaziergang ein und Sie denken nur an die kaputte Regenrinne, die noch repariert werden muss und sagen ab.

Alles triftige Gründe nicht bei der Sache zu sein: Die Gäste wollen versorgt sein, die Infos beigeschafft und die Dinge getan… aber auch alles verpasste Gelegenheiten …

Der Predigttext von heute erzählt so eine Geschichte von zwei Schwestern und ihrer Begegnung mit dem Leben, mit einer Gelegenheit und ihrem unterschiedlichen Umgang damit:  

Der Predigttext für heute steht im Lk 10,38-42 (Luther)

Als sie aber weiterzogen, kam Jesus in ein Dorf. Da war eine Frau mit Namen Marta, die nahm ihn auf. Und sie hatte eine Schwester, die hieß Maria; die setzte sich dem Herrn zu Füßen und hörte seiner Rede zu. Marta aber machte sich viel zu schaffen, ihnen zu dienen. Und sie trat hinzu und sprach: Herr, fragst du nicht danach, dass mich meine Schwester lässt allein dienen? Sage ihr doch, dass sie mir helfen soll! Der Herr aber antwortete und sprach zu ihr: Marta, Marta, du hast Sorge und Mühe um das Viele. Eins aber ist not. Maria hat das gute Teil erwählt; das soll nicht von ihr genommen werden.

Liebe Gemeinde, im ersten Moment ärgert mich diese Geschichte immer wieder neu. Marta hat doch recht, denke ich. Es muss doch gesorgt werden. Dem Gast soll es doch gut gehen. Das sind ganz klare Gastgeberpflichten. Warum kann die Antwort auf das Bitten von Marta nicht sein: Du hast ja recht, Marta, komm wir helfen dir schnell bei den vielen Dingen, die du zu tun hast und dann setzen wir uns gemeinsam hin und haben es gut miteinander. Aber das ist doch meine Aufgabe und die meiner Schwester, könnte Marta dann antworten. Das geht nicht anders.

Mir fallen so viele Beispiele ein, wo es auch scheinbar nicht anders geht: Die Mutter, die ihr eigenes Leben zurückstellt, damit die Kinder großgezogen werden, der Ehemann, der sich in die Arbeit stürzt um die Familie zu ernähren, der Jugendliche, der sich so sehr anstrengt, um die Schule zu schaffen, die Tochter, die ihren Vater pflegt… Scheinbar geht es all zu oft nicht anders… und doch kenne ich Mütter, die hinterher trauern um verpasstes Leben, Väter, die ihre Kinder nur sporadisch sehen und Schüler, die nie getanzt haben und Töchter und Söhne, die in der Pflege krank werden, weil sie sich selbst vergessen haben, weil sie ihre inneren Kraftquellen haben versiegen lassen.

Ein Abrackern ist das manchmal um viele Dinge und doch: Dabei geht oft der Bezug zum eigenen Leben verloren. Da gehen Menschen auf in ihren vielen Verpflichtungen oder was sie dafür halten und verlieren sich selbst. Davon zeugen Sätze wie: Die Reise, von der ich immer schon träumte mache ich mal, wenn ich Zeit habe, wenn ich im Ruhestand bin, wenn das Haus gebaut ist, wenn meine Pflichten alle erfüllt sind… das Seminar, den Workshop, den Sprachkurs, ein Instrument lernen… noch schlimmer bei Trauergesprächen: Was hatten wir nicht alles noch für Pläne…

Die Sorge um das Viele lässt Marta den wesentlichen Moment verpassen, obwohl sie ja recht hat und die Gäste versorgt werden müssen… Und doch betrachtet Jesus sie mit großer Liebe und Sorge, wenn er sagt: Marta, Marta… wir hören hier immer einen Vorwurf, aber das ist es nicht. Eher orientalisch eine liebevolle Ansprache an Marta. Du hast Sorge und Mühe um das Viele. (Ja habe ich, wird Marta sich da verstanden fühlen.) Und dann: Eins aber ist not. Eins ist nötig. Die Konzentration auf das Eine, das Wesentliche.

Ich lese uns den Text nochmal in der Übersetzung der Bibel in gerechter Sprache:

Als sie sich aufmachten, ging er in ein Dorf. Eine Frau namens Marta nahm ihn auf. Und bei ihr war ihre Schwester, die hieß Maria. Diese setzte sich zu den Füßen des Befreiers und hörte sein Wort. Marta aber war vom vielen Dienst beunruhigt. Sie trat herzu und sagte: »Herr, kümmert es dich nicht, dass meine Schwester mich allein zurücklässt, um zu dienen? Sprich mit ihr, damit sie mit mir zusammen Hand anlegt!« Jesus antwortete und sprach zu ihr: »Marta, Marta, du sorgst dich und lärmst über die Vielheit. Eines aber ist nötig. Maria hat das gute Teil gewählt, das wird man nicht von ihr wegnehmen.«

Jesus will Marta und alle Martas dieser Welt ermutigen, sich zu konzentrieren, wenn er sagt, dass das gute Teil, das Maria gewählt hat, ihr nicht weggenommen werden soll. Er will einfach nicht, dass noch jemand sich verliert im Vielerlei des Alltags, des Schaffens und Tuns. Maria ergreift die Chance, die sich mit der Gegenwart Jesu bietet. Sie setzt sich zu seinen Füßen – die klassische Haltung eines Schülers in der damaligen Zeit – und lernt von Jesus, lässt seine Worte in ihre Seele fallen. Lässt alles andere sein, konzentriert sich auf diese Gelegenheit. Ist ganz da, im Augenblick, bei dem, der von sich sagt, er ist das Leben. Und Jesus lädt Marta ein, es ihr gleich zu tun, nicht umgekehrt. Auch Marta darf in Jesu Gegenwart ihr Tun und Sorgen und Schaffen lassen.

Ich denke an die Geschichte von einem weisen Mann, der einmal gefragt wurde, warum er trotz seiner vielen Beschäftigungen immer so glücklich sein könne. Er sagte: "Wenn ich stehe, dann stehe ich, wenn ich gehe, dann gehe ich, wenn ich sitze, dann sitze ich, wenn ich esse, dann esse ich, wenn ich liebe, dann liebe ich ..."

Da fielen ihm die Fragesteller ins Wort und sagten: "Das tun wir doch auch, aber was machst Du darüber hinaus?"

Er sagte wiederum: "Wenn ich stehe, dann stehe ich, wenn ich gehe, dann gehe ich, wenn ich ... "

Die Leute unterbrachen ihn: "Ja, schon gut, das machen wir doch auch…!"

Er aber sagte zu ihnen: "Nein - wenn ihr sitzt, dann steht ihr schon, wenn ihr steht, dann lauft ihr schon, wenn ihr lauft, dann seid ihr schon am Ziel."

Liebe Gemeinde, die Geschichte von Maria und Marta nimmt eine ganz wichtige Sehnsucht auch in der heutigen Zeit auf, in der es so viel zu tun gibt, in der so viel von Menschen gefordert wird und in der es gleichzeitig so viel Zerstreuung gibt wie nie: Es ist die Sehnsucht nach Stille, nach Rückzug, nach Zeiten wie jetzt hier im Gottesdienst um sich auf das Wesentliche zu konzentrieren.

Sich selbst solche Zeiten zu geben, hat offenbar etwas mit einer eigenen Entscheidung zu tun, wenn man auf die Worte Jesu hört: Maria hat gewählt, hat das gute Teil gewählt. Also gibt es offenbar doch eine Wahl, aus dem Wuseln und Müssen auszusteigen. Maria ist die Verkörperung all dieser Sehnsucht nach Ruhe und Stille im Orkan des alltäglichen Lebens. Das geht natürlich leichter, wenn eine Marta sich um den Rest kümmert… aber ich glaube, so ist es nicht gemeint. Wir müssen mal Marta sein und Dinge erledigt kriegen und wuseln, aber wir brauchen auch die Maria Zeiten, in denen hören und schweigen, in denen Ausrichtung nötig ist, auf das, was mir wieder Kraft gibt, um weiter „zu dienen“.

Manchmal haben Menschen regelrecht Angst vor der Stille, weil die Stille ihnen sagen würde, was wirklich da ist, weil die Stille sie mit ihren wahren Sehnsüchten, Ängsten und Energien in Verbindung bringen würde, weil in der Stille Gott, die Kraft des Lebens zu ihnen sprechen würde, die vielleicht eine Veränderung der Gewohnheiten anmahnt, ganz von innen heraus, was wieder Angst macht. Dann lieber nicht still werden, denken solche Menschen, lieber sich ablenken, weiterwuseln, Verpflichtung über Verpflichtung häufen. Schade ist das, denn solche Menschen nehmen sich die Möglichkeit, mit ihren wahren Kräften in Verbindung zu kommen und Verantwortung für ihr eigenes Tun zu übernehmen.

Martas Tun wird im griechischem mit dem Verb perispao beschrieben, das auch mit „nach allen Seiten gezerrt werden“ übersetzt werden kann oder „in Anspruch genommen sein“

Unruhe machen, Sorgen machen… das drückt in der Bibel oft mangelndes Gottesvertrauen aus. Wenn Jesus in der Bergpredigt dazu auffordert, nicht zu sorgen, dann meint er genau das, die Tretmühlen des Alltags zu verlassen, wenigstens für bestimmte Zeiten und so dem Kreisen nur um die eigenen Möglichkeiten und Verpflichtungen zu entkommen und sich wieder auf das Wesentliche zu besinnen. Er selber tut dies auch immer wieder, wenn er zum Beten auf einen Berg geht, sich zurückzieht, auch und gerade dann, wenn viel zu tun ist, wie in der Schriftlesung vorhin ja auch gehört.

Davon kann ich persönlich selber immer wieder lernen, denn mir fällt es auch oft schwer, in Zeiten, in denen sich alles zu überschlagen scheint, mich erst mal hinzusetzen und in die Stille zu gehen. Aber ich merke auch, wenn es mir gelingt, gehe ich gelassener mit den Herausforderungen um, die vor mir liegen. Allerdings ist das immer wieder neu ein Anlauf und doch: erst aus dem Stillwerden und Hinhören erwächst die Kraft für das Notwendige und Wesentliche. Dietrich Bonhoeffer hat mal geschrieben: „Für das Hören ist nun eines notwendig: das Schweigen. In ihm wird erst der Raum geöffnet, in dem Gott (und auch ein anderer Mensch) zu Gehör (zu Wort) kommt. ‚das Wort kommt nicht zu den Lärmenden, sondern zu den Schweigenden.‘ Und das führt dann wiederum ins Tun, ohne sich im Vielen zu verlieren aber doch ins Tun und ins Dienen am Anderen: Und so schließe ich heute die Predigt mit zwei Zitaten von Meister Eckhart, dem großen Mystiker aus dem Mittelalter: „Was wir empfangen haben in der Kontemplation, das geben wir aus in der Liebe.“ und: „Denn wenn der Mensch sich dem schauenden Leben überlässt, so kann er vor lauter Fülle nicht mehr an sich halten, er muss ausgießen und sich tätig erweisen in wirkendem Leben.“

Dass uns das immer wieder gelingt, wünsche ich uns. Dann können wir Maria und Marta Anteile zugleich leben und uns dabei auf das Wesentliche des Lebens konzentrieren, ausrichten und in all unserem Tun zugleich zu Füßen Jesu sitzen. Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

Predigten aus der Schlosskirche

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