Predigt zu Jes 65,17-25 am Ewigkeitssonntag (25.11.) 2018

Predigt zu Jes 65,17-25 (von Pfr. Henning Porrmann) gehalten am 25.11.2018 in der Schlosskirche Meerholz-Hailer

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Liebe Gemeinde!

Träumen sie auch manchmal von einem Ort, an dem alles gut ist? Ein Ort an dem Sie unbeschwert leben können? Von einem Ort, an dem alles Weinen und Klagen aufhört, weil es keinen Grund dazu gibt. Niemand müsste sagen, dass er sein Leben verfehlt oder sinnlos gelebt hätte. Die Menschen könnten die Früchte ihres Lebens genießen. Das wäre ein Ort, an dem nicht mehr das Leiden und der Tod unser Leben beherrschen und fest im Griff haben. Für Streit und Krieg wäre an diesem Ort kein Platz. Kein Leid, kein Geschrei, kein Schmerz wird mehr sein, denn das erste ist vergangen.

Ist das alles nur eine schöne Illusion, die zu nichts nütze ist, die wie eine Vertröstung auf später klingt, gerade heute am Ewigkeitssonntag? Warum träumen wir dennoch solche Träume von einem friedlichen Leben ohne Weinen und Klagen, ohne Not und Tod? Warum sehnen wir uns nach einem solchen Ort, wo wir doch tagtäglich und oft in unserem Leben erfahren, dass dieses Träumen vermeintlich nichts nützt? Wozu sind solche Visionen gut wenn wir doch in einer Zeit leben, die so ganz anders ist. Hier herrscht Ungerechtigkeit, einige haben viel, viel Geld, viel Macht, viel Einfluss, und einige haben wenig. Menschen leiden. Von einer Zeit ohne Klage, Leid und Tod sind wir weit entfernt. Wir sehen im Fernsehen die Bilder von Furchtbarem.

Und das Leid liegt allzu oft noch viel näher: Da sind schwere Krankheiten, tiefe Verletzungen und Einsamkeit auch bei uns. Wir müssen mit ansehen, wie Menschen vor ihrer Zeit sterben. Wir müssen Abschied nehmen von lieben Menschen, mit denen wir Jahrzehnte unseres Lebens verbracht haben, an die wir heute am Ewigkeitssonntag oder auch Totensonntag denken wollen. Und wir müssen mit unserem Schmerz und unserer Trauer weiterleben. Wir müssen damit leben, dass der Tod auch über unser Leben sein großes UMSONST schreiben will und scheinbar immer wieder Erfolg hat.

Da kommen doch Fragen auf: Wann hört das endlich auf? Ist nicht alles Hoffen und jede Bemühung umsonst? Ist nicht so eine Vision vom Anfang nur ein Verschließen der Augen vor dem Leid und dem Tod die uns umgeben?

Nicht anders erging es dem Volk Israel nachdem sie aus der Gefangenschaft in ihre Heimat zurückgekommen waren. Sie standen vor und mitten in den Trümmern ihres bisherigen Lebens, als sie nach jahrelanger Abwesenheit zurückkehrten. Ihr Land (und Leben) waren weitgehend zerstört. Die Häuser waren zerfallen oder es lebten Fremde darin. Felder und Gärten, die Grundlage ihrer Versorgung und Sinnbild der Hoffnung und Zukunft, lagen verödet und brach. Kinder lebten oft nur wenige Tage, bevor sie an Hunger oder Krankheit starben ebenso wie die alten Menschen, die nicht mehr die Kraft hatten, weiter um ihr Überleben zu kämpfen.

Ich kann mir gut vorstellen, dass unter den Menschen in dieser Zeit immer wieder resignierte und verzweifelte Stimmen zu hören waren: Das schaffen wir nicht! Wie sollen wir nur weiterleben und wie wird unsere Zukunft aussehen? Weinen und Klagen gab es mehr als genug.

In diese Zeit hinein spricht der Predigttext für heute seine Hoffnung und seine Verheißung. Jes 65,17-25

Denn siehe, ich will einen neuen Himmel und eine neue Erde schaffen, daß man der vorigen nicht mehr gedenken und sie nicht mehr zu Herzen nehmen wird. Freuet euch und seid fröhlich immerdar über das, was ich schaffe. Denn siehe, ich will Jerusalem zur Wonne machen und sein Volk zur Freude, und ich will fröhlich sein über Jerusalem und mich freuen über mein Volk. Man soll in ihm nicht mehr hören die Stimme des Weinens noch die Stimme des Klagens. Es sollen keine Kinder mehr da sein, die nur einige Tage leben, oder Alte, die ihre Jahre nicht erfüllen, sondern als Knabe gilt, wer hundert Jahre alt stirbt, und wer die hundert Jahre nicht erreicht, gilt als verflucht. Sie werden Häuser bauen und bewohnen, sie werden Weinberge pflanzen und ihre Früchte essen. Sie sollen nicht bauen, was ein anderer bewohne, und nicht pflanzen, was ein anderer esse. Denn die Tage meines Volks werden sein wie die Tage eines Baumes, und ihrer Hände Werk werden meine Auserwählten genießen. Sie sollen nicht umsonst arbeiten und keine Kinder für einen frühen Tod zeugen; denn sie sind das Geschlecht der Gesegneten des HERRN, und ihre Nachkommen sind bei ihnen. Und es soll geschehen: ehe sie rufen, will ich antworten; wenn sie noch reden, will ich hören. Wolf und Schaf sollen beieinander weiden; der Löwe wird Stroh fressen wie das Rind, aber die Schlange muß Erde fressen. Sie werden weder Bosheit noch Schaden tun auf meinem ganzen heiligen Berge, spricht der HERR.

Liebe Gemeinde, heute am Ewigkeitssonntag sind Viele von Ihnen in den Gottesdienst gekommen, weil sie im letzten Jahr einen lieben Menschen verloren haben und andere, weil Sie am Totensonntag heute besonders ihrer schon länger Verstorbenen gedenken wollen. Der Tod hat in den Familien und bei den Freundinnen und Freunden ein großes Loch hinterlassen – eine Leere, die in dieser Stunde noch einmal deutlich zu spüren ist. Wunden die nur ganz langsam heilen oder schier gar nicht. Erinnerungen werden wieder lebendig und mit ihnen auch die Trauer und die Verzweiflung über den Verlust des geliebten und geschätzten Menschen.

Der Totensonntag erinnert uns an diese Trauer, an Einsamkeit und schwere Verluste – an Situationen, in denen wir vor oder mitten in den Trümmern unseres bisherigen Lebens gestanden haben, an Rückschläge, von denen wir uns vielleicht bis heute nicht richtig erholt haben.

Hier im Gottesdienst muss sich niemand seiner Traurigkeit und seiner laut oder leise geweinten Tränen schämen. Hier ist dafür Raum und Zeit, in der Gegenwart Gottes zu klagen. Meiner Sehnsucht Raum geben kann ich im Angesicht Gottes.

Und dann auch anfangen zu fragen, wie ich neue Hoffnung finden kann, trotz der schweren Rückschläge, trotz erlittener Enttäuschung und trotz allem Schmerz der Trauer. Hier ist Zeit, auch auf eine andere Stimme zu hören – auf die Stimme Gottes, die sagt: „Nein, es ist nicht alles umsonst und hoffnungslos – du hast eine Zukunft vor dir, trotz und in allem was ist.“

In dieser Stimme Gottes kommt etwas in die manchmal recht dunkle Realität, das Menschen weitersehen lässt, eine Hoffnung, eine Art Trost. Die Vision, die der Predigttext aufzeichnet, kann helfen, die Welt und die Realität ungeschminkt, ohne Schönungen anzusehen und dennoch nicht zu resignieren. Wir brauchen solche Visionen und Träume, um unsere Realität realistisch zu sehen; um mit den Leidenden und den Trauernden weinen zu können und um an der Welt und dem Leben, wie es noch ist, dennoch nicht zu zerbrechen. Es wird nicht so bleiben wie es ist: ein neuer Himmel und eine neue Erde. Gott ist in ihr am Werk und wir können die kleinen Zeichen jetzt schon entdecken, im Großen wie im Kleinen. Nicht das Unrecht und der Tod haben das letzte Wort über uns, sondern Gottes Liebe, überhaupt die Liebe. So neu wird die Welt, dass man die Stimme des Weinens und die Stimme des Klagens nicht mehr hören wird.

Gott sieht den Kummer und das Leid und die schweren Enttäuschungen, die so quälend sind. Er hat uns nicht für einen frühen Tod, und schon gar nicht für einen ewigen Tod geschaffen hat. Gott will, dass wir leben und dass wir uns über das, was er schafft, freuen können. Wir sollen das Werk unserer Hände genießen können und nicht umsonst arbeiten. Denn wir sind die Gesegneten Gottes. Wir können lernen, die Spuren seines Segens in unserem Leben zu entdecken. Wir können lernen, seine Stimme zu hören, die sagt: „Es wird nicht alles umsonst sein! Ihr habt eine wunderbare Zukunft vor euch, die schon jetzt begonnen hat. Habt Vertrauen in den guten Ausgang eures Lebens.“

Manchmal braucht es Zeit, um dies im Dunkel der Trauer und der Traurigkeit zu entdecken, weil wir nur noch daran denken können, dass doch alles vergeblich ist, alles zu spät ist und ganz finster aussieht. Manchmal sind wir gefangen in unseren Rückschlägen und Enttäuschungen, in unseren Zweifeln und Anfragen, dass wir unsere Hoffnungen, Sehnsüchte, lebensnotwendige Visionen und Wünsche vergessen.

Gott weiß, dass der Tod bleischwer auf unserer Seele lastet und uns lähmen will. Gott weiß, dass Lebenspläne zerstört und umgeworfen werden können. Aber er will uns helfen, wieder aufzustehen und neu anzufangen. Er stellt uns Menschen an die Seite, die unser Vertrauen in das Leben wieder stärken, die uns trösten und dabei helfen, wieder lachen zu lernen. Denn Gott ist schon dabei, einen neuen Himmel und eine neue Erde zu schaffen – für uns, seine geliebten Menschen, für die er das Leben will und nicht den Tod. Wir liegen ihm so sehr am Herzen, dass er selbst Mensch geworden ist, um unser Leid und unsere Trauer zu teilen, wie unsere Freude und unsere Hoffnung.

Die Vision vom neuen Himmel und von der neuen Erde kann uns jetzt und heute helfen, die Wirklichkeit Gottes in unserer Welt, in unserem Leben wahrzunehmen und hoffnungsvoll auch die dunklen Täler des Lebens, das Leid, die Trauer zu durchschreiten. Er ist ganz nahe bei uns, im Leben und im Sterben und weit darüber hinaus. Amen.

Predigten aus der Schlosskirche