Predigt zum Bußtag 2018 - Die Herzenstür für Frieden öffnen

Predigt „Heute einen Krieg beenden…“ (Pfr. Henning Porrmann)

Die Predigt zum Nachhören

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen.

Liebe Gemeinde!

Heute einen Krieg beenden. Provokativ kommt dieses Motto des diesjährigen Buß- und Bettages daher. Wer bin ich, dass ich einen Krieg beenden könnte, denke ich im ersten Moment, weil ich an die großen Kriege denke, unter denen zur Zeit so viele Menschen zu leiden haben. Wie gerne würde ich! Aber ich kann nicht. Gut denke ich, vielleicht kann ich mal einen Streit schlichten, unter Freunden, auf dem Schulhof, bei den Arbeitskollegen… aber ist das gleich Krieg zu nennen? Eigentlich nicht und andererseits: Krieg ist das Gegenteil von Frieden. Wenn ich heute einen Krieg beende, kehrt dort vielleicht Friede ein. Also Krieg beenden heißt für den Frieden einstehen und sich Mühe geben. Aber wie geht das konkret? Was kann ich tun, damit Frieden einkehrt, Unfrieden, Krieg beendet wird?

Im Predigttext schlägt Jesus vor dazu eine Tür zu öffnen… eine Tür für ihn, für den Geist der Liebe und des Friedens.

Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe an. Wenn jemand meine Stimme hören wird und die Tür auftun, zu dem werde ich hineingehen und das Abendmahl mit ihm halten und er mit mir.

Insofern, liebe Gemeinde, der allererste Krieg der zu beenden ist, ist der Krieg in mir. Wie kann ich Frieden mit einem anderen machen, wenn ich mit mir selbst in Unfrieden bin? So lautet die These vieler Mystiker und spiritueller Lehrer. So auch das Gebot Jesu, das er aus dem ersten Testament entnimmt und als eines der beiden Grundgebote bezeichnet: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst. Hier geht es nicht, wie oft vermutet um selbstlose Liebe, in er das eigene Ich verleugnet werden soll. Ganz im Gegenteil, das eigene Ich soll genauso viel Liebe erfahren wie das andere, das du. Also geht es in diesem Gebot um Selbstvolle Liebe. Wer in sich die Kraft der Liebe wecken kann, wer mit sich selbst liebevoll umgehen kann, wer sich selbst mit gütigen, liebevollen Augen ansehen, wer in sich Frieden verspürt, der ist verbunden mit Gottes Liebe und so ein Mensch wird diese Liebe und den Frieden auch im Umgang mit anderen suchen, fördern und anstreben.

Sie kennen das, liebe Gemeinde, es ist echt hohe Kunst, wenn ich schlecht gelaunt bin und mir jemand quer kommt, nicht ziemlich grantelig und ungehalten zu reagieren. Jedenfalls mir fällt das immer schwer. Naja, und wer hat nicht schon mal jemanden angeschnauzt, weil er oder sie schlechte Laune hatte für die der andere gar nichts konnte?

Jesus sagt also: Die Tür öffnen für ihn, für die personifizierte Macht der Liebe, damit sie einziehen kann in den inneren Raum und den ganzen Menschen erfüllen kann, oder zumindest einen Teil. Die Mystiker greifen das Bild von der Tür bzw. dem inneren Raum dahinter auf. In diesem Raum sagen sie bin ich ganz, unverletzt und mit der Kraft des Lebens verbunden, in diesem Raum findet sich dann die Kraft der Liebe Gottes. Seelengrund wird dieser Raum auch genannt.

Im Seelengrund ist der göttliche Funken, sagen Meister Eckhart und Johannes Tauler. Im innersten Raum meiner Seele ist Gott, ist Jesus, ist Heiliger Geist, ist seine Kraft des Friedens und der Liebe schon längst da. Auch dann, wenn ich diesen Raum gerade nicht finde oder nicht betreten kann, weil so vieles sich davor gestellt hat und die Tür blockiert: Streit, Missgunst, Neid, Angst, Unsicherheit, Zweifel… Und doch sagen die Mystiker aller Religionen, diesen Raum der Seele, der innerste Seelengrund ist der Raum in dem ich ganz ich sein kann und Gott begegnen kann, der Raum meiner Würde, der Raum in dem jeder Mensch unverletzt und heil ist, wie viele Wunden und Narben er auch im Außen hat. In diesem innersten Raum kann ich die Kraft der Liebe Gottes berühren und sie in mir wachsen lassen, kann ich Frieden berühren und ihn wachsen lassen, einfach indem ich mir dieser Qualitäten Gottes in mir bewusst werde.

Die Hirnforschung, die in den letzten Jahren und Jahrzehnten stark an der Meditation und ihre Auswirkungen auf das Gehirn sind, hat festgestellt, dass ein durch Gedankensteuerung bewusst herbeigeführtes Gefühl bzw. Gedanke zum Beispiel Mitgefühl, Frieden oder Liebe, im Gehirn die gleichen Areale anspricht, wie wenn das Gefühl vermeintlich spontan auftritt. Das funktioniert leider auch mit negativen Gefühlen, die Menschen leiden lassen: Eine nur imaginierte Angst, die auftritt, weil jemand das Schlimmste befürchtet, ist wie echte Angst in einer realen Bedrohungssituation, ebenso Hass, Neid, Eifersucht, Gier usw.

Darum wird in der Meditation so viel Wert darauf gelegt, die Gedanken zu lenken. Nicht übrigens, sie zu unterdrücken. Kommt in der Meditation Angst auf, nehme ich dies wahr und lade sie ein sich in mir zu Zuversicht, Freude und Mut zu setzen. Spüre ich Hass auf einen anderen Menschen, nehme ich auch dieses Gefühl wahr und lade den Hass und den Groll ein in mir mit Friede und Liebe zu verweilen. Indem ich dies tue, verdränge ich Angst oder Hass nicht einfach, sondern nehme wahr, dass diese Gefühle in mir sind. Und ich nehme wahr, dass auch das andere in mir ist. Man könnte es umdrehen und sagen: In mir ist Hass, Groll, Angst, Zweifel, Neid, usw. und ich setze in der Meditation, in meinen Gedanken Liebe, Mitgefühl und Frieden dazu. Christinnen und Christen glauben daran, dass Gottes Liebe in uns ausgegossen ist, also ist sie immer da. Wie haben die Kinder in der Schule gestern richtig gesagt, als ich Sie gefragt haben, was die guten Mächte Gottes sind? Eigentlich wollte ich als Antwort Engel hören, aber die sagten: Liebe, Frieden, Hoffnung seien die guten Mächte Gottes. Die sind immer da. Es gilt allerdings, sich im rechten Moment daran zu erinnern. Oder aber jeden Tag zu üben, mit diesen guten Mächten Gottes in Verbindung zu sein, die Tür also bewusst immer wieder für Jesus, für Gott zu öffnen, denn dann wird es mir, wenn die negativen Gefühle aktuell und so besonders stark sind leichter fallen, Frieden und Liebe einzuladen neben Hass und Angst Platz zu nehmen.

Ich weiß, liebe Gemeinde, das lässt jetzt bestimmt den einen oder anderen von ihnen skeptisch sein, aber wenn man das Ganze in traditionelle kirchliche Sprache übersetzt, dann ist das nichts anderes als ein Gebet, das dem Unfrieden, der Angst, der Gewalt, dem Hass Liebe, Zuversicht und Frieden von Gott erbittend entgegenstellt. Was ist dieses Gebet anderes als eine Erinnerung daran, dass Gottes Liebe und Kraft immer da sind? Angesichts großen Leides erbitten wir Gottes Gegenwart. Und auch hier: Wie wir Angst und Hass in unseren inneren Raum einladen müssen, sie anerkennen müssen, um uns nicht im Versteckten, im Unterdrückten von ihnen bestimmen zu lassen, müssen wir im Gebet auch erst einmal Unrecht, das Leid, mein Elend anerkennen, ansehen und dann betend die Kräfte Gottes erinnern.

Ich möchte heute abend gerne mit ihnen eine ganz kleine Übung machen, in der es einfach nur darum geht, sich der Liebe Gottes in mir und in jedem einzelnen von ihnen bewusst zu werden. Sie brauchen keine Angst haben, dass dabei der Verstand ausgeschaltet wird. Ganz im Gegenteil, sie brauchen ihn, um die Gedanken immer wieder zurückzulenken und den Atem mit den Worten zu verbinden. Wenn Sie jetzt großen Wiederstand in sich spüren, nehmen sie auch den wahr und denken sie einfach ein bisschen nach, so wie es ihnen gefällt. Und freuen sie sich, dass wir im Abendmahl gleich, auf diese andere geheimnisvolle Weise, Gottes Kräfte in uns aufnehmen. Oder Sie lassen sich einfach auf das Experiment ein und schauen was passiert. Dazu müssen sie noch nicht einmal glauben, dass etwas passiert oder dass es hilft. Nur den Mut haben es mal ein paar Minuten zu probieren.

Also: Anleitung Meditation

Übung: Einatmend bin ich mir der Liebe Gottes in mir bewusst, ausatmend bin ich mir der Liebe Gottes den anderen bewusst.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

Predigten aus der Schlosskirche

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