Predigt am 3.11.2013 (23. So. n. Trinitatis)

Predigt zu Mt 5,33-37
Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen.
Liebe Gemeinde!
Ich gebe ihnen mein Ehrenwort! - Ich schwör bei meiner Mutter. - Ich sage Ihnen unter Eid, dass ich nicht erster Klasse mit dem Flugzeug geflogen bin. - Ich versichere Ihnen, dass die NSA nur im Rahmen der Terrorbekämpfung Gespräche von potentiellen Verdächtigen abhört.
Ich weiß nicht wie es ihnen geht, liebe Gemeinde, aber mir wird immer unbehaglich zumute, wenn Erklärungen an Eides Statt, Versicherungen oder gar Schwüre abgegeben werden. Irgendwie bekommt bekommen dann alle anderen Aussagen ein und desselben Menschen ein Geschmäckle. Wenn er jetzt schwören oder an Eides Statt versichern muss, damit sein Wort gilt, lügt er sonst oder mogelt sich an der Wahrheit vorbei, ist dieser Mensch, der dauernd "ehrlich" sagt, auch noch ehrlich wenn er ehrlich nicht sagt? Kann ich mich auf so jemanden nur verlassen, wenn er im Schwur sogar noch eine höhere Instanz ins Spiel bringt: Bei meiner Mutter oder bei "allem was mir Heilig ist" oder gar bei Gott. Ehrlich!

Sie merken, mir kommen da so meine Zweifel. Gerade in einer Zeit, in der an vielen Stellen herauskommt, dass offensichtlich gelogen oder die Wahrheit bewusst verschleiert wird kommt in mir eine Sehnsucht auf, dass ein Wort ein Wort ist, dass Menschen sagen, was sie denken und denken, was sie sagen und auch noch morgen dazu stehen. Gerade wo wir nicht nur bei Doktorarbeiten oder sonstigen Ehrenworten enttäuscht worden sind, muss es doch auch Menschen geben, die ehrlich sind.
Jesus hat offenbar auch erkannt, dass vielleicht niemals so viel gelogen wird wie unter Eid und dass es für das Leben, für unser alltägliches Zusammenleben wichtig ist, dass ein Wort ein Wort ist. In der Bergpredigt, die so viele wertvolle Impulse gibt, sagt Jesus in Mt 5,33-37:
Ihr habt weiter gehört, dass zu den Alten gesagt ist (3.Mose 19,12; 4.Mose 30,3): »Du sollst keinen falschen Eid schwören und sollst dem Herrn deinen Eid halten.« Ich aber sage euch, dass ihr überhaupt nicht schwören sollt, weder bei dem Himmel, denn er ist Gottes Thron; noch bei der Erde, denn sie ist der Schemel seiner Füße; noch bei Jerusalem, denn sie ist die Stadt des großen Königs. Auch sollst du nicht bei deinem Haupt schwören; denn du vermagst nicht ein einziges Haar weiß oder schwarz zu machen. Eure Rede aber sei: Ja, ja; nein, nein. Was darüber ist, das ist vom Übel.
Liebe Gemeinde, dieser Abschnitt ist ein Teil der sogenannten Antithesen, mit denen Jesus sich gegen das wendet, was althergebracht galt, „was den Alten gesagt ist“.
Und eigentlich ist das doch selbstverständlich, denken jetzt bestimmt viele von ihnen, liebe Gemeinde. Ja heißt ja, nein heißt nein. Aber manchmal ist es eben nicht so. Bei eingespielten Ehepaaren heißt "Ja, Schatz" noch lange nicht ja, aber es ist für den Moment die bequemere Antwort. Wenn ich jemanden nach langer Zeit wieder treffe möchte ich eigentlich gar nicht gerne, dass er mir sofort ehrlich sagt: Boa, du bist aber dick geworden. Da höre ich gerne eine kleine Lüge: gut siehst du aus und ja ich gebe es zu: Nicht jedem antworte ich in der manchmal nötigen Ausführlichkeit und Ehrlichkeit, wie es mir geht, wenn er mich fragt.
Jemand hat mal herausgefunden, dass wir bis zu 200 mal am Tag nicht die Wahrheit sagen. Da kann man Jesus schon verstehen, wenn er da mal genauer hinschaut, bzw. eindeutige Anweisungen gibt, damit Vertrauen wieder wachsen kann.
Aber wie kommt das eigentlich, dass wir so oft flunkern, nicht die Wahrheit sagen und uns um Ehrlichkeit gerne mal drum herum mogeln? Konventionen sind ein wichtiger Grund. Die Höflichkeit gebietet es, jemanden nicht vor versammelter Mannschaft bloßzustellen, wenn er etwas zwischen den Zähnen hat, allerdings spricht auch niemals was dagegen, ihn beiseite zu nehmen und im Zweiergespräch freundlich darauf hin zuweisen. Ein anderer Grund ist reiner Selbstschutz. Beispiel Internet oder Facebook: Hier alles offen und ehrlich vor allen preiszugeben, was mich traurig macht oder mich belastet könnte leicht von weniger wohlmeinenden Mitlesern ausgenutzt werden. Das hat seinen Ort einzig und allein unter Menschen, denen ich vertrauen kann, meinen Freunden, meiner Familie. Und umgekehrt ist das noch ein Punkt, warum wir uns als die "Ehrlichen manchmal so dumm" vorkommen: Andere machen es doch auch. Es gibt immer wieder Menschen die nicht ehrlich sind, denen man mit gutem Recht und Grund nicht vertrauen kann und denen würde ich mich ja im Alltag auf Gedeih und Verderb ausliefern, wenn zu ihnen ich ehrlich wäre. Und außerdem warum sollen ausgerechnet die einen Vorteil haben? Und irgendwie wie ein schleichendes Gift sind wir in der Lüge drin. Wären alle Menschen vertrauenswürdig, bräuchte Jesus diese Anweisung zur Wahrhaftigkeit nicht geben.
Gegen diesen Vertrauensverlust predigt Jesus an. Er gibt dem Wunsch Ausdruck, dass alle Menschen ja sagen, wenn sie ja meinen und umgekehrt. Auch Eide sind ja eigentlich, besonders vor Gericht nur ein Mittel einer Aussage noch einmal ein besonderes Gewicht zu geben. Deswegen stehen eidesstattliche Falschaussagen auch unter besonderer Strafe, damit klar ist: Jetzt gilt's!
Manchmal lügen wir aus Rücksicht auf den anderen, weil wir ihn nicht verletzen oder belasten wollen. Ich bin mir nicht sicher, ob das nicht in Ordnung ist. (sehen sie, ich laviere hier auch rum, statt eindeutig ja oder nein zu sagen). Mit Vertrauen hat das allerdings nichts zu tun. Ich hoffe, dass meine Freunde mir auch die Wahrheit sagen, wenn ich sie gerade nicht so gut hören kann, allerdings muss ich auch zugeben, dass es mir manchmal echt schwerfällt auf Hinweise nicht grantelig zu reagieren.
Manchmal lügen Menschen aber auch, um einen echten Vorteil zu haben. Bei der Steuererklärung, in der Schlange vorm Kino beim Film der erst ab 18 ist, beim Alter, bei der Höhe ihres Einkommens…
Tun sie's nicht, sagt Jesus. Und vor allem führt dabei nicht Instanzen ins Feld, die nichts dafür können. Nicht beim Himmel, der Erde oder bei Jerusalem der damaligen geistlichen und geistigen Hauptstadt und zentrales Heiligtum soll ein Schwur geleistet werden. So ein wenig erinnert das an das Gebot, den Namen Gottes nicht unnütz zu gebrauchen. Jesus findet all das überflüssig, wenn denn ein Wort ein Wort ist.
Wer seinen Vorschlag beherzigt, der ist wie der Baum aus dem Psalm, den wir vorhin gelesen haben. Der steht fest ein für das, was er oder sie sagt oder glaubt.
Dabei denke ich natürlich an einen der geradezu der Urtypus eines Menschen ist, der trotz aller Widrigkeiten zu seinem Wort, zu seinem Glauben, zu seinem Gewissen steht: Martin Luther mit seinem berühmten Ausspruch: Hier stehe und kann nicht anders. So wahr mir Gott helfe. Amen. vor dem Reichstag zu Worms, in dem er seine Lehren, seine Erkenntnisse, seine gefundene Wahrheit widerrufen sollte und er konnte es nicht, weil es seine Wahrheit wahr. Ob die wahre Wahrheit wohl immer wieder so den Weg nach draußen an die Oberfläche, auch bei anderen Menschen findet? Martin Luther, an dessen berühmtes Aufstehen gegen die Kirche, gegen die damalige Weltordnung wir uns gerade am Donnerstag erinnert haben, ist ein gutes Beispiel für die Wahrheit, die sich nicht unterdrücken lässt und die zu einer wirklichen Freiheit und Vertrauen führt.
Viele weitere Beispiele lassen sich hier anführen: Edward Snowden, der es mit dem angeblich mächtigsten Geheimdienst der Welt aufnimmt, weil sein Gewissen ihm sagt, dass er diese massenhafte Verletzung der Menschenwürde und der freiheitlichen Grundrechte nicht mehr länger mit ansehen kann oder auch Malala Yousafzai, das iranische Mädchen, dass mutig für die Rechte von Kindern auf Bildung eintritt, obwohl sie sich damit den Zorn der etablierten Gesellschaft und der Machthaber auf sich gezogen hat, die weitermacht, obwohl man sie schon einmal niedergeschossen hat.
Angesichts solcher Menschen bin ich immer wieder tief berührt, bekomme Gänsehaut, weil ich merke, dass sich bei mir doch schnell mal ein Ja, aber oder ein Nein, allerdings wenn es gar nicht anders geht unter meine Rede schmuggelt Ich hätte große Angst an Stelle von Malala Yousafzai oder Edward Snowden oder Martin Luther gehabt.
Und andererseits: Ich sehne mich nach mehr solcher Menschen: In der Kirche, in der Politik, im Alltag, in unseren Orten, überall, bei denen ein Ja ein Ja und ein Nein ein Nein ist. Vielleicht spornt uns heute dieser Predigttext ja an mutig zu unserem Wort, mutig zu unserem Glauben zu stehen und den Menschen, die vielleicht etwas abschätzig sagen: „Was rennt die oder der denn immer in die Kirche?!“ dann auch mal zu sagen: Ja das tue ich, weil ich da ermutigt werde und Kraft aus einer unerschöpflichen Quelle schöpfen kann (oder was immer sie dazu bewegt hat heute hier zu sein).
Vielleicht ermutigt uns der Text aber auch, anderen liebevoll und barmherzig die Wahrheit zu sagen, Menschen zu sein, bei denen man sich sicher sein kann, dass ihr Kompliment auch wirklich zählt und nicht nur dahin gesagt ist. Menschen, die einen guten und ehrlichen Blick auf das Leben ermöglichen.
Vielleicht ermutigt uns der Text auch mal zuzugeben, wenn ich etwas wirklich nicht weiß, wenn ich mir nicht sicher bin. Auch das fällt unter wahrhaftige Kommunikation: Ich bin mir noch unsicher und unschlüssig und kann da noch nicht ja oder nein sagen.
Und noch eins: Jesus verlangt nie etwas, was er nicht selber auch einhält und das ist das, was uns die Kraft geben kann, was vielleicht auch schon Martin Luther damals vor fast 500 Jahren die Kraft gegeben hat, das auch zu tun: Jesus steht zu seinem Wort der Liebe zu uns Menschen. Auch bei ihm können wir sehen, dass er für diese Überzeugung, dass die Menschen wichtiger sind als die Befolgung von Konventionen, Althergebrachtem, Regeln und Geboten, dass es wichtiger ist, die andere Wange hinzuhalten als zurückzuschlagen, dass Liebe stärker ist als der Tod. Für diese Überzeugung ist er Kreuz gegangen und ist von Gott in seiner Überzeugung mit der Auferstehung bestätigt worden.
Lassen wir uns heute morgen wachrütteln, zu mehr Ehrlichkeit und bitte bedenken Sie, wenn Sie jetzt einen Menschen im Kopf haben, der ehrlicher sein sollte – ändern können wir nur uns selbst. Und lassen wir uns anstecken von der Kraft Gottes, die uns zu liebevollen, wahrhaftigen und vertrauenswürdigen Menschen macht. Amen
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.
(Henning Porrmann)

Predigten aus der Schlosskirche

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