Predigt zu Joh 14,15-27 an Pfingsten 2019
Die Predigt zu Hören gibt's Hier!
Liebe Gemeinde!
Die Apostelgeschichte an Pfingsten mag ich. Neuer Wind, neuer Schwung, Feuer und Lebenskraft, Energie und Mut, Bewegung und Initiative werden neu entdeckt als der Heilige Geist die Jünger ergreift. Ja, komm Heiliger Geist, denke ich, komm du auch zu mir und mach Durchzug in meinem Leben, damit alte, verbrauchte, abgestandene, miefige Luft entweichen und neue Luft zum Aufatmen einziehen kann. Wie oft habe ich schon erlebt, dass mich der Glaube zwar nicht vor Erstarrungen oder vorm Hinfallen bewahrt hat, aber dann Die Kraft beim Aufstehen war, beim Perspektive wechseln, beim wieder in Bewegung kommen… Ja, die Pfingstgeschichte mag ich. Zu Predigen ist aber heute über eine viel weniger spektakuläre Szene aus dem Johannesevangelium, ein Teil aus den Abschiedsreden Jesu, in denen er sich von seinen Freunden verabschiedet…
Deshalb, bevor wir jetzt hier vorschnell in die neuen Anfänge gehen und ich ihnen den Predigttext vorlese, überlegen sie mal, wo Sie zuletzt Abschied genommen haben, welcher Abschied Ihnen noch in Erinnerung ist, wo Ihnen vielleicht der Abschied leichtfiel und wo schwer. Große und kleine Abschiede gibt es im Leben… Mir fallen viele Situationen ein: Ganz groß beim Tod von lieben Menschen oder bei Lebensphasen, die vorbei sind… oder ganz kleine jeden Tag, wenn die Kinder zur Schule gehen oder überhaupt abends der Abschied vom Tag. Gesellschaftlich scheinen wir in diesen Tagen und Wochen und Monaten auch von vielem Abschied zu nehmen… Von Großbritannien in der EU, und viel schlimmer vielleicht: vom Vertrauen in große Institutionen und in die Politik, von der Wahrheit, wenn man sich die Verbreitung von Fake news ansieht oder einen amerikanischen Präsidenten erlebt, der es mit der Wahrheit nicht so genau nimmt (eines der jüngsten Beispiele: Ich habe keine Demonstranten gegen mich in London gesehen, also gibt es sie auch nicht…), und wo wir schon dabei sind, auch von einem guten und angemessenen Ton in der Politik und von fairer Auseinandersetzung, von einem anscheinend überkommenen Parteiensystem, von einer intakten Umwelt… und vielem mehr.
Überall da täte Durchzug gut und frischer Wind und es wäre schön, wenn so manche Rede geistreicher wäre und das Handeln der mächtigen Menschen und Institutionen und Wirtschaftskräfte inspirierter…
Ach, und bei Durchzug und Wind und Abschied fällt mir noch ein Ort ein, bei dem Abschied und Wiedersehen ganz nah bei einander liegen: Auf dem Bahnhof: Die einen fallen sich voller Freude in die Arme, weil einer von beiden einen Ort verlassen und sich auf die Reise gemacht hat, und die anderen müssen mit einer Träne im Auge Abschied nehmen, wenn der Zug sich in Bewegung setzt.
Sie verstehen nur Bahnhof? Gut. Dann hier der Predigttext für das diesjährige Pfingstfest: Jesus sagt nämlich unter anderem zu seinen Jüngern zum Abschied:
Liebt ihr mich, so werdet ihr meine Gebote halten. Und ich will den Vater bitten und er wird euch einen andern Tröster geben, dass er bei euch sei in Ewigkeit: den Geist der Wahrheit, den die Welt nicht empfangen kann, denn sie sieht ihn nicht und kennt ihn nicht. Ihr kennt ihn, denn er bleibt bei euch und wird in euch sein. Ich will euch nicht als Waisen zurücklassen; ich komme zu euch. Es ist noch eine kleine Zeit, dann sieht die Welt mich nicht mehr. Ihr aber seht mich, denn ich lebe, und ihr sollt auch leben. Wer mich liebt, der wird mein Wort halten; und mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm nehmen. Wer aber mich nicht liebt, der hält meine Worte nicht. Und das Wort, das ihr hört, ist nicht mein Wort, sondern das des Vaters, der mich gesandt hat. Das habe ich zu euch geredet, solange ich bei euch gewesen bin. Aber der Tröster, der Heilige Geist, den mein Vater senden wird in meinem Namen, der wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe. Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch. Nicht gebe ich euch, wie die Welt gibt. Euer Herz erschrecke nicht und fürchte sich nicht.
Puh, ich kann mir vorstellen ziemlich schwer zu verstehen beim ersten Mal hören… Aber keine Bange: eine Eigenschaft des Geistes, den Jesus schicken will als Trost und Ersatz für seine Gegenwart ist Verständnis. Der Geist wird uns alles lehren und erinnern, an das was war.
Oja denke ich wieder, das ist wirklich etwas, was wir gut gebrauchen können: Ein Verständnis davon wie Dinge in der Vergangenheit meines Lebens oder auch der Welt zu interpretieren sind und eine Erinnerung daran, dass es sie gibt, diese Dinge, Erlebnisse, Erfahrungen. In diesem Fall geht es ja um die Erinnerung an die Zeit der Jünger mit Jesus. Also etwas Schönes soll erinnert werden im Angesicht des Abschieds. Ja, das kann funktionieren. In der verstandenen Vergangenheit und der Erinnerung an gelungene Zeiten kann die Kraft für die Zukunft stecken, auch wenn man gerade vor Angst oder vor Trauer wie gelähmt ist. Das was war wird mit diesem Geist des Lebens und der Lebendigkeit die Grundlage und die Kraftquelle für das was kommt. Dann gehen tatsächlich Menschen raus und werden mutig und fröhlich, bleiben nicht mehr in den Lähmungen ihres Lebens hängen. Ganz schön clever dieser Geist, dieser Tröster, dieser Verständiger von dem Jesus da redet: Wenn ich beginne mein Leben, mein gelebtes Leben zu verstehen, wenn ich mich zum Beispiel erinnere, wie ich schon mal von Gott neue Kraft bekommen habe, dann vergegenwärtige ich das und es bekommt plötzlich auch Relevanz für die Gegenwart und kann über die Abschiedssituation, oder / und was sonst mir gerade das Leben schwer macht, hinweghelfen, leuchten und ich beginne wieder Zuversicht zu schöpfen. Dann, also mit diesem Geist ist der Abschied - von Jesus in diesem Fall - die Eröffnung ganz neuer Lebensräume, die auch ohne die körperliche Präsenz Jesus funktionieren und doch mit seinem Geist gefüllt sind. Dann ist der Geist wirklich ein Tröster, der mir mit seinem Verständnis als Geist der Wahrheit zur Wahrheit meines Lebens verhilft und mir Zukunft und Hoffnung gibt.
Der Heilige Geist, der Geist Gottes, der Geist des Lebens, hilft dazu, dass wir immer wieder neue Räume der Möglichkeiten und des Lebens entdecken. Und das geht auch und vielleicht sogar gerade dann, wenn wir dachten: Hier geht es garantiert nicht weiter… Sie wissen alle was ich meine, kennen solche Situationen aus Ihrem Leben. Und trotzdem sitzen wir heute hier zusammen in der Kirche. Es ging weiter, Sie sind wieder aufgestanden, wie die Jünger, der Geist des Lebens hat sie ergriffen…
Doch halt, vielleicht sind sie heute hier, gerade weil sie nicht weiterkommen und fragen sich, wie öffne ich mich diesem Geist, wie kann ich ihn spüren, wie zeigt er mir neue Wege? Das ist einfach und schwer zugleich: Ich muss ihn wirken lassen und vielleicht eine Zeit lang aushalten, dass ich noch nichts spüre. Kann man vielleicht mit einer Gesichtsmaske in der Kosmetik vergleichen, oder einem Salat der erst mal durchziehen muss oder Tee oder mit vielen anderen Dingen, wo das Verändernde nicht sofort wirkt, sondern eine gewisse Zeit braucht. Heiliger Geist wirkt manchmal plötzlich und überraschend und manchmal braucht er Zeit. In jedem Fall ist es gut, wenn er wirken soll, sein eigenes Schaffen und Machen und Tun mal einzustellen, still zu werden und in der Stille immer wieder zu sagen: Ich öffne mich für dich, du Geist des Lebens und Atem dieser Welt und lasse dich wirken. Ich glaube fest daran, dass zu gegebener Zeit Türen in Ihnen aufgehen werden, sich neue Wege zeigen, das Leben neuen Schwung kriegen wird.
Komm Heiliger Geist, beatme uns mit Leben, sei Tröster und Wahrheit und bring uns in Schwung. Amen.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.