Predigt zu 1. Kor 9,24-27 am 24.1.2016

Liebe Gemeinde!

"Lebe deine Leidenschaft!" Das ist das Motto der nächsten Olympischen Sommerspiele, die im August in Rio den Janeiro stattfinden. Lebe deine Leidenschaft. Das passt gut zum olympischen Gedanken, dass sich Menschen aller Nationen und Religionen fair, friedlich und leidenschaftlich sportlich miteinander messen. (Den wirtschaftlichen Aspekt von Sieg und Niederlage lassen wir jetzt mal weg…) Lebe deine Leidenschaft. Die Sportler können das tun, ihre Leidenschaft leben, wenn sie sich akribisch vorbereiten, üben, trainieren und sich dann zum Wettkampf treffen. Sie haben ein Ziel gefunden, das sie mit ganzer Kraft verfolgen. Und einmal bei Olympia mit dabei zu sein scheint für viele Sportler ein großes Ziel. Dabeisein ist alles, wird oft in diesem Zusammenhang gesagt. Der Weg ist das Ziel und das Ziel ist der Weg. Es geht nicht nur ums Gewinnen, sondern das Ziel ist schon erreicht, wenn ich es schaffe dabei zu sein.

Warum erzähle ich Ihnen das?!

Weil das exakt zum Predigttext passt, der für diesen Sonntag vorgesehen ist. Paulus vergleicht dort nämlich das Leben und hier besonders das christliche mit einem Wettkampf, mit einem Wettlauf. Und unmittelbar vor unserem Predigttext erklärt Paulus den Christinnen und Christen in Korinth seine Leidenschaft, nämlich, dass er alles dafür tut, damit Menschen in Kontakt kommen mit der guten Botschaft Gott und darin das Ziel ihres Lebens entdecken. Und dann schreibt er: 1.Kor 9,24-27

Wisst ihr nicht, daß die, die in der Kampfbahn laufen, die laufen alle, aber einer empfängt den Siegespreis? Lauft so, daß ihr ihn erlangt. Jeder aber, der kämpft, enthält sich aller Dinge; jene nun, damit sie einen vergänglichen Kranz empfangen, wir aber einen unvergänglichen. Ich aber laufe nicht wie aufs Ungewisse; ich kämpfe mit der Faust, nicht wie einer, der in die Luft schlägt, sondern ich bezwinge meinen Leib und zähme ihn, damit ich nicht andern predige und selbst verwerflich werde.

Liebe Gemeinde, das was Paulus sich selbst abverlangt, nämlich vollen Einsatz in „seiner Kampfbahn“, das verlangt er auch von seinen Zuhörerinnen und Zuhörern: Lauft so, dass ihr den Siegespreis erlangt, gebt alles. Jeder soll sich in seinem (Lebens)Lauf so gut wie es ihm möglich ist anstrengen. Und dazu sind Entbehrungen, Disziplin und immer wieder Üben nötig. Sportler wissen das. Wer sich auf einen Wettkampf vorbereitet zum Beispiel auf einen Marathon der muss sehr diszipliniert daran arbeiten, um am Ende sein Ziel zu erreichen. Für den einen ist das beim Marathon einfach nur ankommen. Für den anderen eine gute Zeit unter 2 Stunden 30 oder so. Und dafür muss man eben einiges in seiner Lebensführung beachten: Genügend Schlaf, ausreichendes und auf seine Fitness abgestimmtes Training, die richtige Ernährung. Da geht es dann nicht mehr nur um den Lauf selber. So ein Wettkampf berührt das ganze Leben, zumindest in der Zeit davor. Alles wird diesem Ziel, diesem Wettkampf untergeordnet. Da dabei sein ist dann wirklich alles. Aber wer ohne klares Ziel losläuft und wer sich nicht vorbereitet, nicht übt wird kaum einen großen Lauf schaffen, geschweige denn bei Olympia mit dabei sein.

Genau darauf kommt es auch im Lebens-Lauf an: Dass da ein Ziel ist, auf das alles hinausläuft, ein Ziel worauf alle Bemühungen, das Leben selbst hin ausgerichtet sind. Sonst verliert man schnell die Orientierung und kommt nicht so recht voran. Wohin auch, wenn man bald hierhin bald dorthin läuft? Paulus benutzt wieder ein Bild aus dem Sport: Ohne Ziel ist das Leben wie ein Boxer, der nur Luftlöcher in die Luft schlägt.

Ein Läufer, sagt Paulus, läuft deshalb, weil er um einen Siegeskranz kämpft, weil er der erste und schnellste sein will. Das stimmt natürlich heute nicht mehr unbedingt bei vielen Läufern, die sich einfach fit halten wollen, denen egal ist, wie schnell sie sind. Allerdings in manch anderen Dinge passt der Siegeskranz ganz gut, den viele mit ihrem Leben erreichen wollen. Aber, auch das sagt Paulus, so ein Siegeskranz ist ziemlich schnell verwelkt. Ich glaube, es ist gut, wenn man sich das ab und zu mal klarmacht. Es kommt also nicht nur darauf an, irgendwelche Ziele zu haben, sondern Paulus geht es um Ziele, die Bestand haben, die sich lohnen.

Ziele im Lebenslauf die vergänglich sind, gibt es einige: Manch einer läuft dem Geld hinterher und lässt sich von ihm mal in die eine und dann wieder in eine ganz andere Richtung treiben. Da wird viel eingesetzt, um auf der Karriereleiter weiterzukommen. Familie und Freundschaften bleiben, besonders oft bei Männern auf der Strecke... und wer nicht gut auf sich aufpasst verliert sich selbst, wird unglücklich und leer. Oder: Ganz oft höre ich den Satz: Hauptsache gesund. Gesundheit ist ein hohes und wichtiges Gut, aber es gehört auch zu den Dingen, die zu so einem vergänglichen Lebensziel werden können: Unser Leben ist begrenzt, unsere Gesundheit auch. Klar sollen wir unsere Gesundheit nicht leichtfertig aufs Spiel setzen, aber nur auf Gesundheit zu setzen macht noch lange nicht ein zufriedenes, glückliches Leben aus. Denn im Umkehrschluss würde das ja auch bedeuten, dass das Leben kranker, schwacher oder alter Menschen weniger wert ist. So ist es aber nicht.

Und ein dritter Bereich mit vergänglichen Zielen, die Menschen sich manchmal setzen ist das Leben nach der Maxime Hauptsache viel Genuss oder viel Spaß. Solche Lebensziele lassen Menschen oft hin und gerissen sein zwischen ihren momentanen Stimmungen. Das Leben ist schön und lohnenswert, so lange möglichst viel Genuss dabei herausspringt. Der Mensch hin und her gerissen von den eigenen Trieben und Gelüsten....

Nicht, dass Sie mich jetzt falsch verstehen: Ich habe nichts gegen den Besitz von Geld, gegen Gesundheit und gegen Spaß im und am Leben, ich habe etwas gegen das Wörtchen „Hauptsache“ davor. Hauptsache Geld, Hauptsache gesund, Hauptsache Spaß.

Es ist fast schon banal, aber eigentlich weiß oder ahnt doch jeder, dass allein die Ausrichtung auf diese Dinge nicht dauerhaft zufrieden macht, dass Menschen so nicht zum Frieden, zur Ruhe kommen oder eben zu sich selbst finden, sondern das Glück außerhalb Ihrer selbst suchen. Vergängliche Ziele, so Paulus, führen weg vom eigentlichen Ziel des Lebens. Sie führen nicht zu unserer Mitte, zum unvergänglichen, ewigen Ziel, dass Gott über unser Leben gestellt hat.

Dass wir, dass ich, dass sie, liebe Gemeinde, dass jeder Mensch auf dem Weg ist zu einem unvergänglichen Ziel, dass das Leben auf etwas zielt und damit einen Sinn hat, das spüren wir, glaube ich, alle in einer Sehnsucht tief in uns. Es ist die Sehnsucht nach Heimat und Geborgenheit, nach Schutz und Angenommensein, nach Zuwendung und Liebe, nach Frieden und Sinn, nach Heil sein und jetzt kommt es wieder aber in einem ganz umfassenden Sinne, nach Gesundheit. Jeder hat etwas, dass ihn antreibt, behauptet auch die Werbung einer Bank. Ich glaube, diese Sehnsucht nach einem heilvollen Leben treibt uns in Wahrheit an, danach suchen alle Menschen, jeder auf seine Weise. Diese Sehnsucht führt uns, wenn wir sie wahrnehmen, zum Ziel, zur Mitte und zum Sinn unseres Lebens, in die Tiefe unserer Seele, wo wir letztendlich Gott begegnen, der da mit offenen Armen steht und uns erwartet.

Was also, sagt Paulus, können wir tun, um uns auf diesen Weg zu machen, auf dieses Ziel hin, zur Mitte des Lebens? Paulus ist ehrlich. Er sagt nicht, dass das ein einfacher Weg ist. Er kostet etwas, dieser Weg, diese Suche. Wie auch das Training im Sport Einsatz verlangt und Übung. Paulus redet davon, dass er seinen Leib bezwingt und zähmt, d.h. er lässt die äußeren Dingen seines Lebens (Reichtum, Gesundheit, Krankheit, Unlust, Müdigkeit, usw.) nicht die Macht übernehmen. Er behält das grundsätzliche Ziel im Auge. Diese Dinge sind zwar alle da, aber sie bringen ihn nicht ab, von seinem Lebensziel, den Menschen von der Liebe Gottes zu erzählen, von seiner Leidenschaft, von Gott in der Mitte seines Lebens.

Das könnte auch uns helfen. Es geht um die grundsätzliche Ausrichtung des Lebens: Dass wir wissen, dass das unvergängliche, ewige Ziel unseres Lebens tiefer liegt, in der Heimat, der Liebe und der Geborgenheit, die der Glaube an Gott schenken kann. So zumindest würde ich dieses innere Ziel der menschlichen Sehnsucht nach einem heilen Leben nennen. Wer um sein Ziel in Gott und um die Mitte seines Leben in Gott weiß, den kann kein Sturm oder Wind oder Einfluss und falscher Wegweiser ins vermeintliche Glück von seinem Weg ins Leben abbringen. Wer so lebt, lebt gelassener, auf Gott hin.

Das alles braucht Übung, der Glaube braucht Ausdruck und die Seele braucht immer wieder die Erfahrung: Ja, dieser Halt und dieses Ziel trägt durch das ganze Leben. Das ist gemeint, wenn Paulus davon spricht, dass er seinen Körper zähmt. Das ist keine Lebensfeindlichkeit, sondern die tiefe Erkenntnis, dass Glaube auch spirituelle Praxis und Üben ist. Darum beten Menschen immer wieder, jeden Tag, singen Lieder im Gottesdienst oder alleine, lesen immer wieder in der Bibel und lassen sich berühren von der Kraft dieser Worte, versenken sich in Meditation und Kontemplation, um immer wieder diesen Raum in sich suchen und zu erleben, in dem Gott mit offenen Armen wartet. Selbst die Psychologie hat erkannt, dass Spiritualität, Gebet, Meditation, Vertiefung, ein Halt außerhalb des eigenen Selbsts den Menschen gut tut und sie in Verbindung bringt mit ihren eigenen Kraftressourcen. Verzicht (von dem Paulus hier spricht), oder auch Konzentration, Übung und Achtsamkeit, Meditation und Gebet: All das führt Menschen zu ihrer eigenen Mitte, von der aus sie zu ihrem ganz eigenen Leben, zu ihrer ganz eigenen Lebensaufgabe (die in jeden Lebensalter und -abschnitt anders aussehen kann), zu ihrem ganz eigenen Ziel führt.

Wer auf so eine Weise die Mitte seines Lebens in der Tiefe seiner Seele sucht, der wird feststellen, dass er das Ziel seines Leben immer bei sich hat. In der Mitte des Lebens ist Gott. So wird der Weg der Suche das Ziel und wir brauchen nicht zu warten, bis wir nach diesem irdischen Leben in der Ewigkeit den unvergänglichen Kranz erhalten. Wir haben ihn schon und bekommen ihn immer wieder schon jetzt. Der Weg ist das Ziel und das Ziel ist der Weg. Jesus selbst hat dieses Paradox im Johannesevangelium so ausgedrückt: Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben, niemand kommt zum Vater denn durch mich. Oder anders formuliert: Gott ist Ziel und Weg unseres Lebens zugleich.

Laufen wir so, dass wir dieses Ziel erreichen. Amen.

(Henning Porrmann)

Predigten aus der Schlosskirche